Ungleichheit in und zwischen Ländern verringern

Die Verringerung der Ungleichheit soll vor allem dadurch erreicht werden, dass ärmere Menschen einen überdurchschnittlich hohen Einkommenszuwachs erzielen können. Dafür sollen diskriminierende Gesetze abgeschafft und zunehmend Chancengleichheit gewährleistet werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der zu Ungleichheit und Armut führt, ist ungewollte Migration, die ebenfalls verringert werden soll.

Schulische Bildungserfolge von Ausländern in Deutschland verbessern, zu große Ungleichheit innerhalb Deutschlands verhindern. 

Die Ungleichheit zwischen den Ländern des globalen Südens und den Industrieländern ist weiterhin groß. Die Ungleichheit ist nicht nur zwischen Nationalstaaten gewachsen, sondern auch in den Ländern selbst (siehe z. B. Piketty 2023). Nachdenklich stimmt die Tatsache, dass ein Prozent der Weltbevölkerung über 50 % des Weltvermögens besitzt (siehe z. B. Atkinson 2018). Viele Länder sind durch die ungleiche Verteilung von Vermögen und Besitz gespalten und immer mehr Menschen geraten in wirtschaftliche Not, die ein friedliches Zusammenleben immer schwieriger macht.

Diese Ungleichheit schränkt die Teilhabe vieler Menschen am politischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben ein. Deshalb zielt das Ziel 10 auf die Verringerung von Ungleichheit innerhalb und zwischen Staaten.

Emil Molt, der Inhaber der Zigarettenfabrik Waldorf-Astoria, wollte mit der Gründung der ersten Waldorfschule 1919 in Stuttgart eine Schule für alle schaffen und so der damaligen Spaltung der Gesellschaft zwischen Arbeiterschicht und Bürgertum entgegenwirken. Dadurch sollten Kinder der Arbeiterschicht die gleichen Bildungschancen wie Kinder aus bürgerlichen Verhältnissen bekommen: Jedes Kind und jeder Mensch wird als ein einzigartiges und freies Individuum aufgefasst, dem die gleichen Rechte und Chancen auf ein erfülltes Leben zustehen (Molt 1972).

Seitdem ist es das Ziel der Waldorfschulen, einer sozialen Spaltung in unserer Gesellschaft entgegenzuwirken und allen Schüler:innen unabhängig von ihrer sozialen, religiösen und nationalen Herkunft eine umfassende „akademische“, handwerkliche und künstlerische Bildung gleichermaßen zukommen zu lassen. Akzeptiert werden muss, dass dies aktuell nicht erreicht ist, da Schulen in freier Trägerschaft nicht auskömmlich vom Staat finanziert werden und somit von ganzen Bevölkerungsschichten nicht in Betracht gezogen werden. Dies, obwohl an Waldorfschulen in der Regel der Beitrag zu den Schulbetriebskosten solidarisch erhoben wird (s. auch unter „Institutionelle Gesichtspunkte“).

1. bis 3. Klasse

 

Die Klassengemeinschaft bildet sich, in der jeder Mensch in seinem Sosein aufgehoben und sicher ist und in dem die Kinder unbewusst erleben, dass sie zusammen mehr lernen, als wenn sie allein gewesen wären. Dieses Selbstverständnis bildet dann die Grundlage, altersgemäß Verantwortung für andere zu übernehmen. 
4. KlasseGeschichte und Geografie der Heimat 

5. Klasse

 

 

Anhand ausgewählter Beispiele der Geschichte der Menschheit erleben Kinder, wie unterschiedlich Familien- und Gemeinschaftsleben und ganz allgemein die Grundlagen des sozialen Miteinanders gestaltet sein können und welche Fragen und Konflikte auftreten (z. B. durch ungleiche Verteilung von Ressourcen und Macht) und wie mögliche Lösungen beschaffen sein können.

Um zu einem Verständnis für andere Menschen sowie zu einer gemeinsamen Verständigung kommen zu können, bedarf es vor allem eines wirklichen Interesses am Anderen. 

6. Klasse

 

 

Hauptthemen des Geschichtsunterrichts sind Rom und das Mittelalter. In beiden Epochen spielt das Thema der Ungleichheit eine bedeutende Rolle. 
 

8. Klasse

 

 

Durch die industrielle Revolution hat sich die Gesellschaft in wenige besitzende und mächtige Menschen und viele abhängige Arbeiter:innen gespalten. Dabei waren Leid und Not zu Beginn der kapitalistischen Zeit bei den Arbeiter:innen groß und führten zur Gründung von Parteien, die für eine Verbesserung der Lebensumstände einzutreten versuchten. Hier liegen auch die Wurzeln der Entstehung des Sozialstaates mit Krankenversicherung, Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung. Dieser Bereich wurde in vielen Ländern bis zum Sozialstaat immer weiter ausgebaut.
11. KlasseMessung von Armut und Ungleichheit, 
Gründe für Armut und Ungleichheit, 
gesellschaftliche Strukturen verstehen, die Ungleichheit erzeugen.
Bedeutung von Geld und die Behandlung verschiedener Geldarten, beispielsweise von Konsumgeld, Investitionsgeld, Bildungsgeld, Kulturgeld. Hierdurch soll ein Verständnis gebildet werden, dass durch unterschiedliche Geldarten unterschiedliche gesellschaftliche Prozesse angestoßen werden können.
12. Klasse

Die gegenwärtigen Herausforderungen durch Klimawandel, Umweltzerstörung, Ressourcenverbrauch, Armut, Ungleichheit, Bevölkerungswachstum, sowie der Umbau einer neoliberalen zu einer mehr solidarischen Ökonomie, das Engagement für Demokratie, Menschenrechte und eine Kultur des Friedens und Miteinanders haben heute eine globale Dimension erreicht. Hier stehen große gesellschaftliche Veränderungen an, die von Menschen, Gemeinden, Städten, Institutionen, Ländern usw. vollzogen werden müssen. Dieser transformatorische Wandel umfasst ökologische und soziale Dimensionen gleichermaßen, und zwar auf der regionalen, nationalen, internationalen und globalen Ebene. Folgende Themen können in diesem Zusammenhang behandelt werden:

  • Konsumwende, auf dem Weg zu einem nachhaltigen Konsum
  • Ein gerechteres Finanzsystem
  • Möglichkeiten und Grenzen nachhaltigen Unternehmertums
  • Ein gerechterer und ökologischer Welthandel
  • Werte von Solidarität und Kooperation
  • Gemeinwohl, assoziative und distributive Ökonomie
  • Gerechtere Besitzverhältnisse, verschiedene Eigentumsformen sowie die Bedeutung von Allmende und Gemeineigentum
  • Stärkung einer Kultur der Humanität durch die Auffassung vom Menschen als ein freies, kreatives, künstlerisches und solidarisches Wesen

Waldorfschulen leisten institutionell gesehen durch die Konzeption einer zwölfjährigen Schulzeit für alle Schüler:innen einen Beitrag zur Verringerung von Ungleichheit. Durch einen festen und durchaus heterogenen Klassenverband können viele Fragen und Herausforderungen nicht nur theoretisch, sondern ganz real erfahren und möglichst gelöst werden. Diese Erfahrungen können die Grundlage für ein späteres solidarisches und gerechtes Handeln in der Gesellschaft werden.

Wie unter „Allgemeine pädagogische Gesichtspunkte“ angesprochen, sind Waldorfschulen heute vom Gründungsideal, eine Schule für alle zu sein (damals insbesondere den ökonomischen Hintergrund und die Gleichstellung von Mann und Frau betreffend), deutlich entfernt. Um dem nationalen Unterziel – schulische Bildungserfolge von Ausländern zu verbessern – gerecht zu werden, gibt es Pilotschulen, die sich gezielt der kulturellen und sozialen Integration verpflichtet sehen. Sie sind allerdings in der Regel auf Spendengelder und die Unterstützung durch Stiftungen angewiesen. An diesen Waldorfschulen entstehen jedoch durch die Arbeit mit jungen Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturen wertvolle pädagogische Handreichungen.

Finanzielle Solidarität innerhalb der Schulgemeinschaft zur Überwindung von Ungleichheit

  • Das Schulgeld orientiert sich am Einkommen der Eltern: Eltern mit einem geringeren Einkommen müssen einen kleineren Betrag aufwenden.
  • Klassenfahrten und Schulmaterialien: In der Regel gibt es einen Stipendienfonds, der durch wohlhabendere Eltern gespeist wird und an den sich Eltern mit einem geringeren Einkommen wenden können.

Vor dem Hintergrund einer auf das Gemeinwohl orientierten Organisation von Schule haben sich seit dem Bestehen der Waldorfschulen eine Vielzahl von Kooperationspartnern ergeben.
In Fragen von Forschung und Schulentwicklung kann hier beispielsweise die Software AG Stiftung und die Gemeinnützige Treuhandstelle der GLS genannt werden: https://www.sagst.de/ und https://gls-treuhand.de/ 
Bezüglich Altersversorgung und Versicherungen besteht eine lange Kooperation mit den Hannoverschen Kassen: https://www.hannoversche-kassen.de/ 

Das Leuchtturm-Projekt
zu diesem Ziel

Interkulturelle Waldorfschule Mannheim

Die Idee für eine interkulturelle Waldorfschule entstand 2003 in einem Mannheimer Stadtteil, der durch Zuwanderung sehr geprägt ist. Kindern, die den interkulturellen Kindergarten besuchten, sollte im Anschluss eine Möglichkeit geboten werden, eine Waldorfschule zu besuchen. Das entstandene interkulturelle Konzept basiert u.a. auf einem niedrigschwelligen Aufnahmeprozess, der Betreuung am ganzen Tag und der Ergänzung des Unterrichts durch mehrere Fächer. Ziel ist, dass alle Schüler:innen die gleichen Bildungschancen erhalten und dass Grundlagen für eine interkulturelle Begegnungsfähigkeit durch die Förderung von gegenseitigem Verstehen und wechselseitiger Toleranz geschaffen werden.

 

Insgesamt wird der Fokus an unserer Schule nicht nur auf die kognitiven Fächer gelegt, in denen das Beherrschen der deutschen Sprache notwendig ist, sondern insbesondere auf handwerklichen und künstlerischen Unterricht, in dem auch andere Eigenschaften zur Geltung kommen. Ergänzt wird der Unterricht durch die Begegnungssprache, hier tauchen die Kinder der 1. und 2. Klasse in eine nicht-deutsche Kultur ein und gewinnen so ein gegenseitiges Verständnis über Sprachbarrieren hinweg. Im Kulturunterricht wird den Schülerinnen und Schülern der 3.-5. Klasse die Kultur der drei abrahamitischen Religionen, Judentum, Christentum und Islam nähergebracht. Sie feiern mit der ganzen Schulgemeinschaft Feste verschiedener Kulturen und Religionen wie Ostern, Ramadan und Chanukka. Dieser Unterricht lässt die Schülerinnen und Schüler Vielfalt erleben, bringt ihnen fremde Kulturen näher und fördert die Toleranz. In Deutsch als Vertiefungssprache (DaV) findet eine gezielte und bildhafte Sprachförderung für Schülerinnen und Schüler statt, für die Deutsch nicht die Muttersprache ist. DaV arbeitet z.B. in der Unterstufe mit den Schüler:innen Themen vor, so dass sie z.B. in der Handwerkerepoche das entsprechende Vokabular kennen oder bereits vor der Grammatikepoche im Hauptunterricht die Regeln schon einmal geübt haben. Der Projektunterricht stärkt die Kinder in Geschicklichkeit, Sinneswahrnehmung und in ihren praktischen und künstlerischen Fähigkeiten.

 

Unsere Schülerschaft besteht in etwa zu 50% aus deutsch-Muttersprachlern und zu 50% aus Schüler:innen mit einer anderen Muttersprache und Migrationsgeschichte. Dadurch erreichen wir, dass unter den Schüler:innen viel deutsch gesprochen wird und so die Deutschkenntnisse deutlich verbessert werden. Gleichzeitig lernen auch deutsch-Muttersprachler:innen mit Situationen umzugehen, in denen die gesprochene Sprache nicht ihre Muttersprache ist. Nicht nur die Lernenden, sondern auch unser Kollegium ist divers und stammt aus bis zu 15 verschiedenen Kulturen. Auch unsere Mensa haben wir an den Bedürfnissen der verschiedenen Kulturen ausgerichtet.

 

Auch heute ist unsere Schule unter den Waldorfschulen Vorreiterin mit der interkulturellen Arbeit in einem sozialen Brennpunktviertel. Dabei sind wir eingebunden in ein Netzwerk, das sich regelmäßig trifft, bestehend aus vier Waldorfschulen und weiteren Menschen, die in unserer Bewegung für Interkulturalität brennen. In vielen Veranstaltungen und an Ausbildungsstätten informieren wir über unser Konzept und hoffen, weitere Schulen zu diesem Ansatz zu inspirieren.

 

Einen Blick möchten wir noch auf die Finanzierung richten: viele Elternteile können den sonst üblichen Eigenbeitrag einer Waldorfschule nicht leisten, daher haben wir teilweise langfristige Sponsoren und Patenschaften, die uns unterstützen und teilweise projektbezogene Sponsoren. Seit zwanzig Jahren ist dies ein erfolgsbringendes Konzept.