Armut in allen ihren Formen und überall beenden

Eines der wichtigsten Ziele, das sich die Vereinten Nationen gesetzt haben, ist die Verringerung der extremen Armut (kein Dach über dem Kopf, mangelhafte Ernährung, nicht gestillte Grundbedürfnisse). Bis 2030 soll die Armut bei Männern, Frauen und Kinder um die Hälfte gesenkt werden. Sozialschutzsysteme sollen weiter ausgebaut werden, um eine breitere Versorgung der Armen erreichen zu können. Dadurch soll die Widerstandsfähigkeit von armutsbetroffenen Menschen in prekären Situationen erhöht werden. Gegen klimabedingte Extremereignisse sollen Maßnahmen ergriffen werden. 

Auch in Deutschland soll die Armut begrenzt und die materielle Deprivation verringert werden. Materielle Deprivation bedeutet den unfreiwilligen Verzicht aufgrund finanzieller Probleme (z. B. die Miete nicht bezahlen oder eine Woche und weniger im Jahr Urlaub machen können). Zentral ist der Erwerb einer guten und hochwertigen Bildung, um Armut zu verhindern.

Heute leben noch ca. 700 Mio. Menschen in extremer Armut. Das bedeutet, dass sie sich das Nötigste, was sie zum Leben brauchen, nicht leisten können. 

Ziel des Unterrichts muss es sein, die Gründe für Armut in den Ländern des globalen Südens zu verstehen: Dazu gehören: das koloniale Erbe, globale Machtstrukturen, der internationale Finanzmarkt, kein Schutz der nationalen und lokalen Märkte, das Bildungsniveau, kulturelle Dimensionen und weitere Aspekte. 

Mit diesem Wissen lassen sich mit den Schülern Projekte entwickeln, die eine Verbesserung der Lebensumstände der Menschen zur Folge haben. Dadurch, dass es weltweit Waldorfschulen gibt, kann beispielsweise eine Patenschaft zu einer Waldorfschule in einem armen Land aufgebaut werden. Waldorfpädagogik versteht unter Bildung nicht nur Wissenserwerb, sondern versucht, auch auf emotionaler und volitionaler (handlungsorientiert, willensmäßig) Ebene die Bildung von Fähigkeiten zu ermöglichen und zu befördern.

Einige Gedanken zu einer in den deutschen Grundsätzen genannten qualitativ hochwertigen Bildung vom Gesichtspunkt der Waldorfpädagogik: Denken, Fühlen und Wollen 

Waldorfpädagogik vertritt einen ganzheitlichen Ansatz von Bildung und gebraucht dafür die drei Begriffe Denken, Fühlen und Wollen oder Kopf, Herz und Hand.

Das Denken bzw. Lernen und Erkennen: Selbstverständlich spielt das bewusste und wissensmäßige Erkennen von Inhalten eine bedeutsame Rolle in der Schule. In der Waldorfpädagogik wird dabei ein großer Wert auf multiperspektivisches, prozesshaftes und ganzheitlich systemisches Denken gelegt.

Das Fühlen bzw. eine emotionale Ebene: In der Waldorfpädagogik spielt die Bildung von Fähigkeiten im Umgang mit den eigenen Gefühlen und Gefühlen anderen Menschen eine wichtige Rolle. Dazu gehört beispielsweise, die Wahrnehmungsfähigkeit von Gefühlen auszubilden und auch die Fähigkeit, sich selbst motivieren zu können.

Wollen bzw. eine volitionale Ebene (handeln können): Ein weiteres Anliegen der Waldorfpädagogik ist es, die Fähigkeit, handeln zu können zu fördern und zu bilden. Um im Leben erfolgreich zu sein und eine Aufgabe oder eine Herausforderung lösen zu können, spielt vor allem die Fähigkeit eine Rolle, eine Sache oder einen Prozess durchführen zu können.

Einen Beruf finden (deutsche Grundsätze)

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der mit dem Thema Armut im Weiteren zu tun hat, ist der, dass man den Beruf, der zu einem passt, findet. Wenn einem dies gelingt und man Freude an der täglichen Arbeit hat, wird man in der Regel auch ein Einkommen erzielen können, das hoch genug ist, um nicht von Armut betroffen zu sein. 

Ein wesentlicher Bestandteil des Unterrichtes ist das Erzählen und die Beschäftigung mit Biografien. An ihnen kann dann das Lebensmotiv eines bestimmten Menschen deutlich werden und so dazu anregen, zu erkunden, welches Lebensmotiv man selbst hat und wofür man sich im Leben einmal einsetzen möchte.

1. bis 10. Klasse

Thema Armut und Nahrung/Landwirtschaft

Schon in der Unterstufe, aber spätestens ab Klasse fünf oder sechs beschäftigen sich die Schülerinnen intensiv mit Landwirtschaft und Gartenbau. Sie bestellen ihr Feld oder ein Stück Land und ernten, was sie gesät haben. Dadurch erlangen sie ein Verständnis von Boden, Wasser, Pflanzen und der Tierwelt, aber auch von Ernte und Verarbeitung von Lebensmitteln. 

1. bis 10. Klasse

Thema Armut und Kleidung

Von der ersten bis zur zehnten Klasse spielt das Herstellen von Stoffen und die Verarbeitung von Stoff eine bedeutsame Rolle. Dies führt in der achten und neunten Klasse dazu, dass sich die Schüler:innen selbst ein Kleidungsstück schneidern.

3. Klasse

Thema Wohnen

Die Schüler:innen bauen jeweils ein eigenes Haus nach ihren Vorstellungen (Maßstab, circa 1 zu 50).

Außerdem ist es an vielen Schulen üblich, mit der Klasse noch ein „großes“ Haus wie z. B. einen Fahrradunterstand, ein Backhaus oder einen kleinen Tierstall zu bauen.

6. KlasseIn der sechsten Klasse wird eine kleine Wirtschaftskunde gegeben, in der auf Arbeit, Fertigkeiten, Fähigkeiten und Geld eingegangen wird. Hierbei werden die verschiedenen Geldarten behandelt und insbesondere auf die Bedeutung von Kapital eingegangen. Dies steht im Zusammenhang mit der Einführung der Zinsformel im Mathematikunterricht und kann eine Grundlage für ein Verständnis von materieller Armut bilden.
7. und 8. Klasse

Ernährungslehre: Was ist eine gesunde Ernährung

Auf globaler Ebene spielt beim Thema Hunger eine gute und gesunde Ernährung eine zentrale Rolle. In der 7. Klassen beschäftigen sich die Schüler:innen mit dem Thema einer ganzheitlichen Ernährung. In der 8. Klasse wird dann das Thema im Rahmen einer organischen Chemie weiter vertieft.

8. KlasseMitarbeit in der Schulküche
9. KlasseDie Erfahrungen aus der Unterstufe zum Themenkomplex Armut/Nahrung werden im dreiwöchigen Landwirtschaftspraktikum in Klasse 9 noch vertieft.
10. KlasseThema des Geschichtsunterrichts der zehnten Klasse sind die großen kulturellen Entwicklungen innerhalb der Geschichte der Menschheit: Neolithische Revolution, Entwicklung zur Stadt, Theokratien etc. Dabei wird auf den Zusammenhang von Arbeit und Arbeitsteilung etc. und auf das Thema Reich und Arm eingegangen.
11. und 12. KlasseIn beiden Klassenstufen wird intensiv auf das Thema Wirtschaft und die Bedingungen für die Schaffung von Werten eingegangen. In diesem Zusammenhang spielen auch die Themen Armut und Reichtum eine bedeutsame Rolle. Es werden die Gründe und Ursachen dafür herausgearbeitet und auch Lösungswege skizziert, die zu einer nachhaltigeren Gesellschaft und zu weniger Ungleichheit führen. Dabei geht es auch darum, alle Lebewesen in ihrem „Sosein“ zu würdigen und ihnen die Bedingungen zu ermöglichen, damit sie ihrem Wesen gemäß leben und sich entfalten können (Konvivalismus).

Gründungsgedanken der Waldorfschule

Die Waldorfschule wurde 1919 im Rahmen der sogenannten Dreigliederungsidee gegründet. Eine Bewegung, die sich für eine gerechtere und friedlichere Gesellschaft eingesetzt hat. Dabei bringt sie die drei gesellschaftlichen Bereiche Wirtschaft, Politik und Kultur mit den drei Idealen der Französischen Revolution in Verbindung: 

  • dem Geistes- und Kulturleben wird das Prinzip der Freiheit zugeordnet
  • dem Rechtsleben oder dem Bereich der Politik das Prinzip der Gleichheit
  • dem Wirtschaftsleben das Prinzip der Geschwisterlichkeit beziehungsweise Solidarität

Diesen Idealen fühlen sich die Waldorfschulen noch heute verpflichtet. 

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass Wirtschaft und Gesellschaft nicht nur kapitalistisch, sondern auch solidarisch bzw. kooperativ gedacht werden. Darüber hinaus geht es darum, dass die drei großen gesellschaftlichen Bereiche Wirtschaft, Politik und Kultur sich nicht auf Kosten eines anderen Systems entwickeln, sondern jede Sphäre zu seiner Entfaltung kommen lässt.

Dies impliziert auch, dass aus dem Gründungsimpuls der Waldorfpädagogik das Verständnis erwächst, dass unser heutiges, auf permanentes Wachstum ausgerichtetes wirtschaftliches und gesellschaftliches System transformiert und nach ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitskriterien neu ausgerichtet werden sollte. 

Heutige institutionelle Gesichtspunkte
Waldorfschulen sind in fast allen Ländern der Welt zu finden und haben ihre Pädagogik und ihr Curriculum an die jeweiligen kulturellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen angepasst.

Viele deutsche Waldorfschulen unterhalten Partnerschaften zu Schulen in anderen Ländern und unterstützen diese finanziell und materiell.

Finanzielle Solidarität innerhalb der Schulgemeinschaft

  • Der Staat finanziert Schulen in freier Trägerschaft nicht auskömmlich. Die fehlenden Mittel müssen durch die Schulträger aufgebracht werden, in der Regel durch Elternbeiträge. Diese orientieren sich an Waldorfschulen in der Regel am Einkommen der Eltern: Eltern mit einem geringeren Einkommen müssen einen kleineren Betrag aufwenden.
  • Klassenfahrten und Schulmaterialien: an vielen Schulen gibt es einen Fond, der durch wohlhabendere Eltern gespeist wird und an den sich Eltern mit einem geringeren Einkommen wenden können.

Sozial gestaltete Gehaltsordnung

Die Mitarbeitendengehälter einer Waldorfschule orientieren sich möglichst an der realen Situation von Menschen. An vielen Waldorfschulen setzt sich das Gehalt entsprechend einer internen Gehaltsordnung zum Beispiel aus den Parametern Basislohn, Kinderzuschlag, Verantwortungszulage, Dauer der Zugehörigkeit zusammen. Dadurch werden Familien mit Kindern (insbesondere Alleinerziehende sind von Armut betroffen) neben einer steuerlichen Entlastung noch zusätzlich durch Kinderzuschläge vonseiten der Schule unterstützt.

Viele Waldorfschulen haben darüber hinaus noch einen Fonds, an den sich die Lehrer im Notfall wenden können.

Die Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners haben ein Programm aufgelegt, den sog. WOW-Day. Dabei engagieren sich Waldorfschulen in Deutschland seit vielen Jahren vielfältig für Schulgemeinschaften in anderen Teilen der Welt. 

Das Leuchtturm-Projekt
zu diesem Ziel

Schülerfirma Upendu Tamu (FWS Rosenheim)

Wir sind eine Schülerfirma, die in einem Netzwerk agiert. Das Netzwerk heißt Nyendo.lernen und ist von Irmgard Wutte 2012 ins Leben gerufen worden. Wir sind seit 2013 mit dabei. Die Waldorfschule in Prien ist ebenfalls sehr aktiv und wir arbeiten oft zusammen.

Unsere Upendo-Tamu-Schülerfirma trifft sich einmal die Woche für eine Schulstunde und alle ca. 4–6 Wochen am Freitag oder Samstag für einen längeren Zeitraum.

Jeden Freitag werden in der Schulmensa verschiedene Müslis mit Joghurt oder Milch verkauft.

An den Schulfesten (Sommerfest/Flohmarkt/Weihnachtsbasar) verkaufen wir Handwerk und Schmuck aus Nairobi, backen Waffeln und verkaufen selbst gemachte Limonade. Zudem wird mit einer Siebträgermaschine Kaffee ausgeschenkt. Wir haben auch schon Badekugeln und Geschenkgläschen mit Badesalzen, Kräutersalz und Kakao produziert und verkauft. Schulpullis / T-Shirts und Socken mit Schullogo wurden bestellt und über die Schülerfirma verkauft. Das Ganze muss dann buchhalterisch festgehalten werden. Momentan ist ein neuer Flyer in Arbeit und wir arbeiten an der Idee, selbst Kleidung mit Siebdruck zu bedrucken.

Die Einnahmen aus den Projekten und Verkäufen spenden wir für konkrete Projekte. So konnte unsere Partnerschule u. a. den Wiederaufbau nach einem Brand finanzieren und einen Wassertank anschaffen. Wir versuchen so, einen kleinen Beitrag zur Selbsthilfe vor Ort zu schaffen, indem wir vor allem den Aufbau der Infrastruktur mitfinanzieren. Mit unseren Aktionen möchten wir zudem auf die Situation der Slum-Schulen aufmerksam machen.

Als einzelne Schülerfirma hätten wir nie solch eine Reichweite und Möglichkeit, Schulen in den Slums von Nairobi zu unterstützen. Einmal im Jahr treffen sich die Schülerfirmen und Mitarbeiter:innen von Nyendo für einige Tage, um sich auszutauschen und fortzubilden. Ein Highlight dieses Treffens ist, dass es einen Live-Chat mit den Schulen in Kenia gibt. Im Rahmen des Sozialpraktikums haben die Schüler:innen der Schülerfirma die Möglichkeit, für 3 Wochen nach Nairobi zu fahren, um vor Ort zu unterstützen.

Herausfordernd ist es, die Firma an neue Schüler:innen weiterzugeben. Betreut wird die Schülerfirma von zwei Lehrerinnen, die dafür ein Stundendeputat haben, was das Projekt gut in der Schule verankert.